Ein Haushaltsplan voller Placebos und Beruhigungspillen aber mit finanziellen Risiken ist nicht beschließbar

Kommunalpolitik

Im Gemeinderat wurde auf seiner Sitzung am 19.12.2017 der Haushaltsplan für 2018 diskutiert und mit den Stimmen der CDU-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Linke/Grüne und der SPD-Fraktion mehrheitlich beschlossen.

In der Diskussion wurde klar, dass für die Jahre 2019-2021 viele Investitionen und Planungskosten für mögliche Investitionen eingestellt worden sind, hinter denen keinerlei Konzepte stehen. Auch sind die meisten dieser Projekte noch nicht in den zuständigen Fachausschüssen diskutiert worden.

Hierzu erklärte der Vorsitzende der SPD- Gemeinderatsfraktion Lutz Bedemann:

„In der letzten Finanzausschusssitzung waren wir über die Änderungslisten überrascht, in denen Planungskosten sowie Investitionskosten enthalten waren, die völlig neu waren und vorher nie inhaltlich diskutiert worden sind. Auf unsere Nachfragen hin, wurde vom Bürgermeister relativiert, dass noch völlig offen sei, ob auch nur eine der neu eingestellten Maßnahmen wirklich realisiert werden wird. Aber einen Haushalt mit Placebos und Beruhigungspillen für einige Ortsteile zu beschließen, ist nicht sinnvoll. Die SPD plädierte daher dafür, erst inhaltlich über alle Projekte zu sprechen, bevor dann realistische und nicht fiktive Zahlen in den Haushalt eingestellt werden.“

Zu den Risiken im Haushalt erklärte Patrick Wanzek, der finanzpolitische Sprecher der SPD-Gemeinderatsfraktion:

„Es gibt fünf Risiken in diesem Haushalt, die nicht wegzudiskutieren sind. Aufgrund der fehlenden Eröffnungsbilanz und der damit verbundenen fehlenden Jahresabschlüsse 2013-2016 wissen wir nicht, ob z.B. bei den Abschreibungen die Planzahlen mit Rechnungsergebnissen übereinstimmen. Die Gewerbesteuereinnahmen werden auf dem Niveau von 2017 eingeplant, obwohl es genügend Gründe gäbe, hier vorsichtiger zu planen. Bei den Personalkosten wurden die zu erwartenden Tarifsteigerungen nicht realistisch eingeplant. Wenn alle Investitionen, für die überraschend eingestellten Planungskosten mit den dafür nur geschätzten Planzahlen, realisiert werden, dann blockieren wir unseren Haushalt für alle weiteren Investition für 3-4 Jahre. Außerdem haben wir von 2016 bis geplant Ende 2018 unsere Finanzmittel um 3 Mio. Euro reduziert. Die SPD-Fraktion kann daher diesem Haushaltsplan aus finanzpolitischer Sicht nicht zustimmen.“

Den ausführlichen Redebeitrag von Patrick Wanzek finden Sie hier:

"In unserer Fraktion haben wir uns die Entscheidung nicht wirklich leicht gemacht. Wir haben die Stärken und Schwächen dieses Haushaltsentwurfes mit einander abgewogen, wie wir es eigentlich schon immer getan haben, nur haben Schwächen dieses Mal überwogen. Wir sind auch nicht explizit gegen eines der eingestellten Projekte, sondern sehen viele finanzpolitische Probleme. Diese werde ich im Folgenden darstellen:

1. Fehlende Eröffnungsbilanz

Bisher existiert keine festgestellte Eröffnungsbilanz zum 01.01.2013 und daraus folgend keine Jahresabschlüsse der Jahre 2013, 2014, 2015 und 2016. Die Auswirkungen der Umstellung können, insbesondere was die Höhe der zu erwirtschaftenden Abschreibungen betrifft, nur grob geschätzt werden. Ob die angenommenen Planzahlen mit den Rechnungsergebnissen im wesentlichen übereinstimmen, kann erst mit Feststellung der Eröffnungsbilanz gesagt werden. Hierin liegt eine nicht unwesentliche Unsicherheit.

2. Prognostizierte Steuereinnahmen

Im vorgelegten Haushaltsplanentwurf wird weiterhin von steigenden Steuereinnahmen ausgegangen, insbesondere wird der für das Jahr 2018 zu erwartende Gewerbesteueranteil in gleicher Höhe wie für 2017 angesetzt. Dies deckt sich zwar mit den allgemeinen Steuerschätzungen, ist aber für die Gemeinde Schkopau kritisch zu hinterfragen. Das Ministerium der Finanzen hat im als Anlage beigefügten Erlass vom 08.12.2017 die Kommunen ausdrücklich aufgefordert, ihr Realsteueraufkommen anhand der örtlichen Gegebenheiten besonders vorsichtig zu schätzen, da insbesondere die Gewerbesteuer erheblichen Schwankungen unterliegt. Wörtlich heißt es dort auf Seite 2: „Die Steuerschätzung vom November 2017 geht davon aus, dass sich die Einnahmen der Städte und Gemeinden im Zeitraum der Planung bis 2022 weiter positiv entwickeln. Dennoch fällt im Vergleich zur Mai-Steuerschätzung der Anstieg der mittelfristigen Finanzplanung etwas geringer aus. (…)Ein hohes Gewerbesteueraufkommen auf Grund von Vorauszahlungsbescheiden garantiert keinen Bestand für die Folgejahre.“

Ein wesentlicher Gewerbesteuerzahler der Gemeinde (Kraftwerk) ist in einem wirtschaftlichen Bereich tätig, der momentan einem erheblichen Strukturwandel unterliegt, der zu erheblichen Gewerbesteuerausfällen führen kann. Weder wissen wir, inwieweit der Ausstieg aus Kohlestrom von einer neuen Bundesregierung vorangetrieben werden wird, noch wissen wir, was der zukünftige Großaktionär Fortum für Pläne mit den verschiedenen Kraftwerkssparten von Uniper vorhat. Das Know-How von Fortum liegt ja vor allem im Bereich Wasserkraftwerke. Es dürfte daher mit dem Grundsatz einer realistischen Planung unvereinbar sein, von gleich hohen Gewerbesteuereinnahmen auszugehen.

3. Sinkende Personalausgaben

Der Haushaltsplanentwurf geht wegen des Wegfalls von Altersteilzeitstellen und der Bufdis von sinkenden Personalausgaben in 2018 aus. Aus der Begründung ist ersichtlich, dass für die TVöD-Beschäftigten trotz des zum 28.02.2017 auslaufenden Tarifvertrages keine Entgelterhöhung für das Jahr 2018 eingeplant wurde. Diese dürfte aber mit großer Wahrscheinlichkeit noch für das Jahr 2018 zu erwarten sein und zu erheblichen Mehraufwendungen in den Personalkosten führen.

4. Negativer Investitionsbereich

Im Investitionsbereich wird ein Defizit von ca. 1,5 Mio. € bei Durchführung der geplanten Investitionsmaßnahmen geplant. Angesichts der momentanen Baupreisentwicklung bestehen erhebliche Zweifel, dass die geplanten Kosten ausreichend sind. Vor Durchführung investiver Maßnahmen muss die Finanzierung gesichert sein, dazu ist es im Allgemeinen üblich, die ermittelten Kostenschätzungen mit einem 20 %igen Zuschlag einzuplanen. Angesichts der momentanen Situation dürfte das aber nicht ausreichend sein, sofern überhaupt geschehen.

Für weitere Investitionsvorhaben werden Planungskosten angesetzt, ohne dass bisher feststeht, ob dieses Vorhaben gewünscht wird bzw. jemals gezahlt werden kann. Es fehlen die Konzepte, was man eigentlich genau machen möchte.

Lassen Sie mich das an zwei Beispielen verdeutlichen. Für einen Neubau Feuerwehrgerätehaus Lochau sind für 2020 400.000€ eingeplant. Im Finanzausschuss wurde deutlich, dass es noch viele offene Fragen zu diesem Bau gibt. Werden mit diesem Bau drei Wehren zusammengelegt? Würden das die Wehrleute überhaupt mitmachen? Ausstattung, Fahrzeugtechnik alles ist noch im Stadium der Vorüberlegung. Nach der aktuellen Idee der Verwaltung ein Haus für drei Wehren rechnet man mit 4,5 Mio € nur an Baukosten Preissteigerungen bis dahin nicht einberechnet. 750.00€ Förderung möchte man über Förderung des Landes einwerben. Wie realistisch dies ist, wenn im entsprechenden Haushaltstitel des Landeshaushalt bisher nie mehr als 4 Mio. € eingestellt worden sind und die Liste der Anträge jetzt schon für mehrere Jahre reicht. Nehmen wir die 4,5 Mio € und die 400.000€ dann müssen wir nicht nur diese Summen aus unserem Haushalt stemmen sondern auch die jährlichen 70.000€ Abschreibungen in den 70 Jahren nach dem Bau! Zur Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit gehört also, wenn wir ein so großes Projekt stemmen wollen, blockieren wir unseren Haushalt auf mindestens 3 Jahre für alle weiteren Investitionsmaßnahmen.

In 2019 sind verschiedene Planungskosten für An-, Um- und Neubauten im Bereich Sportstätten geplant, die inhaltlich noch in keinem der zuständigen Fachausschüsse diskutiert worden sind. Nehmen wir mal Wallendorf, weil dort auch Baukosten in 2020 eingestellt sind, auch wenn die Verwaltung nicht weiß, ob diese Kosten realistisch sind. Auch bei dieser Baumaßnahem sind jährliche Abschreibungen zu planen, bei den bisher bekannten Zahlen sind das 9.600€ jedes Jahr über eine Zeitraum von 50 Jahren. Die Äußerung des Bürgermeisters sich um Fördermittel für Wallendorf oder Döllnitz bemühen zu wollen, laufen ins Leere, da solche Mehrzweckräume, wie sie angedacht sind, in der aktuell gültigen Förderrichtlinie für Sportstätten unter 5.4.3 m explizit von der Förderung ausgeschlossen sind.

Da Planungskosten grundsätzlich zu den Kosten der Herstellung und damit zu den Investitionskosten zählen, dürfen diese nur angesetzt werden, wenn die Finanzierung gesichert ist. Dies ist aus der mittelfristigen Finanzplanung aber nicht erkennbar. Dabei hilft auch die Aussage des Bürgermeisters zu den ab 2019 eingestellten Planungs- und Baukosten, dass eine Realisierung all dieser Projekte ja noch nicht endgültig entschieden sei.

5. Finanzhaushalt

In der Doppik haben wir ja einen Ergebnishaushalt und einen Finanzhaushalt. Der Ergebnishaushalt ist zwar von 2018 bis 2021 im Plus und das Jahresergebnis soll in den Jahren auch steigen. Aber 2021 ist das auch nur möglich, weil wir doch keinerlei Investitionsmaßnahmen eingeplant haben.

Doch schlimmer sieht es beim Finanzplan aus. Dort sollte immer das Finanzsaldo und der Stand der eigenen Finanzmittel zu Jahresbeginn und zu Jahresende im Auge behalten werden. Wir planen das zweite Jahr in Folge einen Finanzfehlbetrag. Dadurch reduzieren wir unsere eigenen Finanzmittel. Zwar stehen für 2018 noch ca. 9,5 Mio. € am Jahresende an Finanzmitteln, doch sind dort die Verbindlichkeiten noch nicht einberechnet. Da können wir gut zwischen 1-2 Mio€ noch einmal abziehen. Diese Entwicklung können wir nicht weiterverfolgen.

Insgesamt ist der vorgelegte Entwurf des Haushaltsplanes 2018 mit erheblichen Risiken behaftet und wird daher abgelehnt."

 

 

 

 
 

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